Kopfzeile

Inhalt

Eierlesen in Oberwil

Das in verschiedenen Formen vorkommende Eierlesen oder Eierlaufen ist als österlicher oder nachösterlicher Brauch altbekannt und ist bis heute in mehreren Kantonen, so vor allem in BL, AG, BE, VD verbreitet. Die älteste Erwähnung des Eierleset in der Region findet sich in einer Basler Chronik aus dem Jahre 1556.

Im Leimental wird seit langem an verschiedenen Orten das Eierlesen am Weissen Sonntag, Sonntag nach Ostern, durchgeführt. In unserer Zeit noch in den Gemeinden Oberwil, Biel-Benken, Bottmingen, Ettingen und Therwil. Es sind die Turnvereine, welche sich, nicht zuletzt wegen des sportlichen Charakters des Eierlesens und Eierlaufens, dieses Wettspiels angenommen haben.

Es ist ein Wettspiel zwischen zwei oder mehreren Parteien, die Springer bzw. Läufer und Leser stellen. Der Leser muss bis zu 100 rohe Eier, die in Abständen in einer Reihe ausgelegt sind, nacheinander einzeln auflesen und in eine an einem Ende der Eierreihe mit Spreu oder Sägemehl gefüllte Wanne werfen ohne sie zu zerschlagen. Für zerschlagene Eier werden wieder neue gesetzt. Das zuletzt aufgelesene Ei wird vom Eierleser über den Kopf möglichst weit geworfen. Währenddessen muss der Läufer eine bestimmte Strecke, meistens ins Nachbardorf, hin- und zurücklegen. Sieger ist die schnellste Partei.

Bei der ursprünglichen Form kämpfte der Leser gegen seinen Gegner, den Läufer. Heute gilt die Mannschaft, bestehend aus Leser, Läufer und Wannenhalter, als Sieger, die als erste mit dem Lesen der Eier fertig ist, wobei fallweise der Läufer nach Rückkehr dem Leser helfen kann.

Neben dem Eierlesen werden zum Teil noch weitere Wettspiele um das Ei durchgeführt. Zuletzt gibt es für die Wettkämpfer, Helfer und Zuschauer ein Gratiseieressen.

In Oberwil fand das erste, gut dokumentierte Eierlesen am 1. April 1894 statt. Durchgeführt wurde es von dem erst zwei Jahre vorher gegründeten Turnverein. Mit einigen Unterbrüchen wird das Eierlesen immer noch vom Turnverein in ein- oder zweijährigen Abständen weitergeführt. In den Protokollbüchern des Turnvereins kann man dazu lesen:

Kommt herbei ihr Völker alle,
Kommt herbei ihr lieben Leut
hier seht ihr zum ersten Male
das schöne Eierlesen heut.
Nun das Fest ist uns gelungen,
Jung und Alte sind gekommen,
um zu sehen was gewesen,
mit dem lustigen Eierlesen.
Gesprungen sind der Burschen vier,
nach Therwil zwei von hier,
die andern zwei nur hin und her,
bis sie bereits nicht konnten mehr.
Nun über einmal ist es aus,
jetzt gibt es einen andern Schmaus,
zur Krone hin wird jetzt gelaufen,
um etlich Liter auszusaufen,
und Sang und Tanz das fehlte nicht,
ein Lebewohl, vergiss mein nicht.